MAIENLIED

1. Komm lieber Mai und mache
Die Bäume wieder grün
Und laßt uns an dem Bache
Die kleinen Veilchen blüh'n
Wie möchten wir so gerne
Ein Blümchen wieder seh'n
Ach lieber Mai wie gerne,
Einmal spazieren geh'n.

2. Zwar Wintertage haben
Wohl auch der Freuden viel
Man kann im Schnee frisch traben
Und treibt manch Abendspiel
Baut Häuselchen von Karten,
Spielt Blinde Kuh und Pfand
Auch gibt's wohl Schlittenfahrten
Auf's liebe freie Land.

3. Doch wenn die Vöglein singen
Und wir dann froh und flink
Auf grünem Rasen springen
Das ist ein ander' Ding
Jetzt muß mein Steckenpferdchen
Dort in dem Winkel stehn
Denn draußen in dem Gärtchen
Kann man vor Kot nicht gehn.

4. Am meisten aber dauert
Mich Lottchens Herzeleid,
Das arme Mädchen lauert
Recht auf die Blumenzeit.
Umsonst hol ich ihr Spielchen
Zum Zeitvertreib herbei,
Sie sitzt in ihrem Stühlchen,
Wie's Hühnchen auf dem Ei.

 

5a. Komm' mach' es bald gelinder,
Daß alles wieder blüht,
Dann wird das Flehn der Kinder
Ein lautes Jubellied.
O komm' und bring' uns allen
Die lieben Veilchen mit,
Bring' Ros' und Nachtigallen
Und viele Kuckucks Lied.

5b. Ach, wenn's doch erst gelinder
Und grüner draußen wär !
Komm, lieber Mai, wir Kinder,
Wir bitten gar zu sehr !
O komm und bring vor allem
Uns viele Veilchen mit,
Bring auch viel Nachtigallen
Und schöne Kuckucks mit.


Text: Christian Adolph Overbeck (1775-1821)
Vertonung: u.a. Wolfgang Amadeus Mozart