Tja, diese Nase hatte es wirklich
in sich. Immer, wenn das kleine Rentierherz vor Aufregung ein bisschen
schneller schlug, leuchtete sie so rot wie der Mantel vom
Weihnachtsmann. Egal, ob er sich freute oder zornig war, Rudolphs Nase
glühte in voller Pracht.
Seine Eltern und Geschwister hatten ihren Spaß an der roten Nase, aber
schon im Rentierkindergarten wurde sie zum Gespött der vierbeinigen
Freunde. "Das ist der Rudolph mit der roten Nase", riefen sie
und tanzten um ihn herum, während sie mit ihren kleinen Hufen auf ihn
zeigten. Und dann erst in der Rentierschule! Die anderen Rentierkinder hänselten
ihn wo sie nur konnten. Mit allen Mitteln versuchte Rudolph seine Nase
zu verbergen, manchmal übermalte er sie sogar mit schwarzer Farbe. Wenn
er dann mit den anderen Verstecken spielte, freute er sich besonders,
dass er diesmal nicht entdeckt worden war. Aber im gleichen Moment
begann seine Nase so zu glühen, dass die Farbe abblätterte. Ein
anderes Mal stülpte er sich eine schwarze Gummikappe darüber. Nun
konnte er nur noch durch den Mund atmen. Als er auch zu sprechen anfing,
klang es als säße eine Wäscheklammer auf seiner Nase. Seine Mitschüler
hielten sich die Rentierbäuche vor Lachen, aber Rudolph lief nach Hause
und weinte bitterlich. "Nie wieder werde ich mit diesen gemeinen Blödhufen
spielen", rief er unter Tränen. Seine Eltern und Geschwister
konnten ihn gar nicht trösten.
Es war wieder einmal Sommer und wie in jedem Jahr kündigte der
Weihnachtsmann seinen Besuch an. In allen Haushalten wurden die jungen
und kräftigen Rentierburschen herausgeputzt. Ihr Fell wurden so lange
gestriegelt und gebürstet bis es kupferfarben schimmerte, die Geweihe
wurden mit Fett eingerieben und poliert bis sie im Sonnenlicht glänzten.
Und dann war es endlich soweit. Auf einem riesigen Platz standen
Dutzende von Rentieren, die ungeduldig und nervös mit den Hufen
scharrten und schaurigschöne Rufe ausstießen, um die Mitbewerber zu
beeindrucken. Unter ihnen war auch Rudolph. Er war an Größe und Kraft
den anderen Bewerbern deutlich überlegen.
Pünktlich zur festgelegten Zeit traf der Weihnachtsmann aus dem
nahegelegenen Weihnachtsdorf ein. Er wurde von Donner, seinem getreuen
Leittier, begleitet. Im Sommer ritt Santa Claus immer auf Donner - ohne
Schnee keine Schlittenfahrt. Der Weihnachtsmann machte sich sofort an
die Arbeit, indem er jedes Tier erst einmal genau anschaute. Immer wieder
brummelte er einige Worte in seinen langen weißen Bart. Sorgsam wählte
er die aus, die am Wettrennen teilnehmen durften. Die Sieger würden in
diesem Jahr den Schlitten ziehen.
Rudolph kam es wie eine Ewigkeit vor., bis er an die Reihe kam. Seine
Nase glühte vor Aufregung so rot wie noch nie. Santa Claus trat auf ihn
zu, lächelte freundlich und - schüttelte den Kopf. "Du bist groß
und kräftig und ein hübscher Bursche dazu", sprach er, "aber
leider kann ich dich nicht gebrauchen. Die Kinder würden ja
erschrecken, wenn sie dich sähen." Rudolphs Trauer kannte keine
Grenzen. So schnell er konnte, lief er hinaus in den Wald und stampfte
brüllend und weinend durch den tiefen Schnee. Die Geräusche und das
weithin sichtbare rote Licht lockten eine Elfe an. Vorsichtig näherte
sie sich, legte ihre Hand auf Rudolphs Schulter und fragte: "Was
ist mit dir?" "Schau nur, wie meine Nase leuchtet. Keiner
braucht ein Rentier mit einer roten Nase!" jammerte Rudolph.
"Das kenne ich gut", sprach die Elfe, "ich würde gerne
im Weihnachtsdorf mit den anderen Elfen arbeiten. Aber immer, wenn ich
aufgeregt bin, beginnen meine Ohren zu wackeln. Und wackelnde Ohren mag
Santa Claus nicht."
Rudolph blickte auf, wischte sich mit den Hufen die Tränen aus den
Augen und sah eine bildhübsche Elfe, deren Ohren im Rhythmus eines
Vogelschlags hin und her wackelten. "Ich heiße Herbie",
sagte sie schüchtern. Und während sie sich so in die Augen sahen, der
eine mit einer leuchtend roten Nase, die andere mit hin und her
wackelnden Ohren, prusteten sie urplötzlich los und lachten bis ihnen
die Bäuche weh taten.
An diesem Tag schlossen sie Freundschaft, schwatzten bis in die Nacht
und kehrten erst am frühen Morgen heim. Mit Riesenschritten ging die
Zeit auf Weihnachten zu. Herbie und Rudolph trafen sich in dieser Zeit
viele Male im Wald. Alle waren mit den Vorbereitungen für das
Weihnachtsfest so beschäftigt, dass sie nicht bemerkten, wie sich das
Wetter von Tag zu Tag verschlechterte. Am Vorabend des Weihnachtstages
übergab die Wetterfee Santa Claus den Wetterbericht. Mit sorgenvoller
Miene blickte er zum Himmel und seufzte resigniert: "Wenn ich
morgen den Schlitten anspanne, kann ich vom Kutschbock aus noch nicht
einmal die Rentiere sehen. Wie soll ich da den Weg zu den Kindern
finden?"
In dieser Nacht fand Santa Claus keinen Schlaf. Immer wieder grübelte
er über einen Ausweg nach. Schließlich zog er Mantel, Stiefel und Mütze
an, spannte Donner vor seinen Schlitten und machte sich auf den Weg.
"Vielleicht finde ich unterwegs eine Lösung", dachte er. Während
der Fahrt begann es in dichten Flocken zu schneien. So dicht fiel der
Schnee, dass Santa Claus kaum etwas sehen konnte. In der Ferne leuchtete
ein rotes Licht so hell, dass ihm der Schnee wie eine riesige Menge
Erdbeer-Eis vorkam. Santa Claus liebte Erdbeer-Eis. Beim Näherkommen
bemerkte er Rudolph mit der roten Nase. "Hallo", rief er,
"was hast du für eine hübsche und wundervolle Nase! Du bist genau
der, den ich brauche. Was hältst du davon, wenn du am Weihnachtstag vor
meinem Schlitten herläufst und mir so den Weg zu den Kindern
zeigst?"
Als Rudolph die Worte des Weihnachtsmannes hörte, fiel er vor Schreck
beinahe um und seine Nase glühte so heftig wie noch nie in seinem
Leben. Vor lauter Freude fehlten ihm die Worte. Erst langsam fand er
seine Fassung wieder. "Natürlich…, furchtbar gerne. Ich freu'
mich riesig…." Doch plötzlich wurde er sehr traurig. "Aber
wie finde ich den Weg zurück zum Weihnachtsdorf, wenn es so dicht
schneit?" Im gleichen Moment, in dem er die Worte aussprach, kam
ihm eine Idee. "Bin gleich wieder da", rief er, während er
schon in schnellem Galopp auf dem Weg in den Wald war und einen
verdutzten Santa Claus zurückließ.
Wenige Minuten später kehrten ein Rentier mit einer glühenden Nase und
eine Elfe mit wackelnden Ohren aus dem Wald zurück. "Sie wird uns
führen, Santa Claus", sagte Rudolph voller Stolz und zeigte auf
Herbie. "Mit ihren Ohren hält sie uns den Schnee vom Leibe. Und
sie kennt den Weg." "Das ist eine prachtvolle Idee", dröhnte
Santa Claus begeistert. Und so geschah es, dass Santa Claus am
Weihnachtstag von einem Rentier mit einer roten Nase und einer Elfe mit
wackelnden Ohren begleitet wurde.
Rudolph wurde am nächsten Tag von allen Rentieren begeistert gefeiert.
Sie waren richtig stolz auf ihn. Schließlich hatte er ja nicht nur dem
Weihnachtsmann geholfen, sondern die Weihnachtsbescherung für die
Kinder gerettet. Ein großes Fest wurde veranstaltet und alle Rentiere
sangen und tanzten um das Grosse Feuer bis lange nach Mitternacht.
Sicher würde ihr Rudolph noch einmal ganz berühmt werden. Auch Herbie, die Elfe mit den Wackelohren, war eingeladen. "Ich werde
allen im Wald von Dir erzählen", versprach sie ihrem Freund
Rudolph.
Und so ist es auch tatsächlich gekommen: die Geschichte von Rudolph,
dem Rentier mit der roten Nase, kennt heute jedes Tier im
Winterzauberwald beim Weihnachtsmanndorf.
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