Die Geschichte des Badens
Baden hat in der
Geschichte der menschlichen Körperkultur meist einen Stellenwert
gehabt, der über das bloße Säubern hinausging. Es hatte sowohl
soziale, kulturelle als auch hygienische Bedeutung, die nicht derjenigen
entspricht, die in der zeitgenössischen nordamerikanischen und europäischen
Kultur vermittelt wird.
Baden hat neben der körperlichen Reinigung auch die symbolische
Funktion der seelischen Reinigung in vielen Religionen. So erfolgt zum
Beispiel im Christentum die Taufe zur Reinigung von der Erbsünde und
der römische Stadthalter Pontius Pilatus "wäscht seine Hände in
Unschuld" als Christus hingerichtet werden soll. Hindus wiederum
vollziehen rituelle Waschungen im heiligen Fluss Ganges.
Baden, Waschen und
Schwimmen in natürlichen Gewässern ist von frühester Zeit an bei
vielen Völkern und Kulturen praktiziert worden. Der Ursprung der
Badekultur wird im asiatischen Raum angesiedelt. Dabei nimmt die
japanische Badekultur, die vor allem in größeren Wannen stattfindet,
mit ihren strengen Regeln eine
Sonderstellung ein.
Schon der griechische
Dichter Homer, der etwa 800 Jahre vor Christi Geburt lebte, schreibt
Geschichten über das Baden in Wannen. Zur Zeit der griechischen
Hochkultur gab es Heißluft-, Dampf- und Warmbäder.
Die römische
Kaiserzeit perfektionierte die Badekultur in ihren
"Thermen" von nie wieder erreichtem Ausmaß. Es gab reichlich
ausgestattete Kaltwasseranlagen, lauwarmen Badezellen, Heißwasserabteilungen
und Dampfbäder, Gymnastikplätze, Bibliotheken, Versammlungsräume und
mehr.
Auch im islamischen
Kulturkreis waren das Schwitz- und das Dampfbad sehr
weit verbreitet. Bei den germanischen und skandinavischen Völkern waren
die Badestuben separate Gebäude mit einem steinernen Herd, der nach
Erhitzung zur Dampfentwicklung mit Wasser übergossen wurde. Auch einige
Wiener Bäder ermöglichen den Genuss einer solchen Sauna.
Im europäischen
Mittelalter wurde gern und viel im warmen Wasser gebadet. Dazu
dienten die öffentlichen Badestuben, die von einem so genannten
"Bader" geführt wurden, der auch berechtigt war, niedere
chirurgische Eingriffe vorzunehmen und die Männer zu rasieren. Es
bestand sowohl die Möglichkeit des gemeinsamen Badens beider
Geschlechter, als auch die getrennt-geschlechtliche Variante. Die
Syphilis wird heutzutage dafür verantwortlich gemacht, dass diese
Badestuben nicht mehr existieren.
Das Waschen und Baden
galt in Europa bis ins 18. Jahrhundert hinein als
ungesund. In England, das heute als eher prüde verschrien ist und von
dessen Klima behauptet wird, dass es nicht gerade zum Baden einlädt,
wurden die ersten See- und Flussbadeanstalten wieder eröffnet. Für die
ärmeren Bevölkerungsteile wurde 1842 in Liverpool die erste Wasch- und
Badeanstalt errichtet. Es folgten Berlin und Hamburg 1850.
DIE
MITTELALTERLICHE BADESTUBE
Das Badehaus
war Treffpunkt für Geistliche, Bürger, Jungfrauen und junge Männer.
Man sah Liebhaber mit ihren Liebchen, Dirnen mit ihren Kunden.
Sogar Dörfer verfügten über ein Badehaus. Ganze Familien
zogen bisweilen nackt oder nur teilweise bekleidet dorthin.
Abgesehen davon, dass vor allem der Klerus eine verhältnismäßig
hoch entwickelte Badekultur in seinen mit Dampfkammern
ausgestatteten Badeanlagen pflegte, war es im frühen
Mittelalter eher unüblich, ausgiebiger zu baden. An den Höfen
existierten zwar luxuriöse Bäder, die mit großen
gemauerten Becken eingerichtet waren, doch für das "Fußvolk"
war ein ausgiebiges Warmwasserbad eine Seltenheit. Im 13.
Jahrhundert wurden wieder öffentliche Badestuben eingerichtet.
Die "Schwitzstuben" in den spätgotischen Dampfbädern
waren Ausdruck der Blütezeit einer europäischen Badekultur. So
existierten zum Beispiel in Nürnberg im 15. Jahrhundert 13 öffentliche
Dampfbäder nach asiatischem Vorbild. Die Wiener Badestuben
dieser Zeit befanden sich entlang des Wienflusses. Eingeführt
wurde die Sitte des Badens durch die Kreuzzüge, deren
vermutlich einziger Verdienst es war, dass sie auch dem
weltlichen Publikum in Europa die Vorzüge einer orientalischen
Badekultur näher brachten. Das gemeinschaftliche Baden wurde
mit zahlreichen anderen Genüssen verbunden. Während des Badens
wurde ausgiebig gegessen und getrunken. Es existieren viele
zeitgenössische Darstellungen, die die sinnlichen und
erotischen Komponenten des Badevergnügens darstellen. Nicht
selten wurde zum Badevergnügen aufgespielt, wobei der/die
MusikantIn selbst mit dabei im Badebottich saß. In der
Regel stiegen Männlein und Weiblein gemeinsam in das
Badewasser. Unverheiratete hielten in den Badestuben Ausschau
nach GefährtInnen. Bei Eheschließungen bot das Brautbad Anlass
für Festlichkeiten. Das gemeine Volk feierte diese Feste
in den Badestuben, wobei in großen Mengen getrunken, gegessen
und getanzt wurde. Die Gebote des Anstandes wurden trotz
gemischtgeschlechtlichem Badegenuss eingehalten. Man badete
nicht ganz nackt. Selten erschien eine Frau ohne Haube
oder Haarschmuck und auch die Männer trugen Hut. Es war zwar
durchaus üblich, dass man von der/m GastgeberIn gewaschen und
gepflegt wurde, doch blieben die Sittlichkeitsvorschriften dabei
gewahrt.
In den öffentlichen Badestuben waren "Bader" tätig,
die die Gäste rasierten oder kleinere chirurgische Eingriffe
vornahmen. Somit trugen die Badestuben einen nicht geringen Teil
zur allgemeinen Gesundheit bei – beziehungsweise zu dem, was
damals darunter verstanden wurde, denn für heutige Begriffe ist
zum Beispiel der "Aderlass" eine eher fragwürdige
Methode der Therapie. Die Bader waren in einer eigenen
Zunft organisiert. Zusätzlich sorgten "Bademägde" für
das Wohl der Gäste, die wohl kaum "zünftig"
organisiert waren.
Die Bäder hatten eine wichtige soziale Funktion. Sie waren Orte
für das politische und wirtschaftliche Gespräch. Angeblich
soll so manche Verschwörung in der Badestube ihren Anfang
genommen haben. Außerdem wurden alle Gesellen von ihren
Meistern am Wochenende in die Badestube geschickt und erhielten
zu diesem Zwecke ein kleines Handgeld. Geht man davon aus, dass
politische Gespräche damals wie heute eher Männersache sind
und Frauen zu den meisten Zünften keinen Zutritt hatten, zeigt
sich das auch hier, wie im römischen Bad, dass die Besucher
eher männlichen Geschlechts gewesen sein dürften.
"Nacktsein war sozial statthaft und funktionell
gerechtfertigt." (Jan van Ussel). Im Zuge der politischen
Umwälzungen durch Reformation und Gegenreformation erhielt die
Körperkultur eine andere Bedeutung. Es war nicht mehr moralisch
vertretbar, seinen Körper gemeinsam mit anderen zu reinigen und
die Badestuben wurden immer weniger besucht. Dazu das
Bertelsmann-Lexikon: "Die von Männern und Frauen besuchten
öffentlichen Badestuben dienten nicht immer nur hygienischen
und medizinischen Zwecken, sodass schließlich Kirche und
Obrigkeit mit Verordnungen dem Sittenverfall Einhalt gebieten
mussten." Auch wird die immer weitere Verbreitung der
Syphilis als Ursache für die Schließung vieler Badestuben
angegeben.
In wenigen Bädern verstößt es noch immer gegen die Sitte,
wenn Frauen "oben ohne" baden. Das Nacktbaden hingegen
ist in einigen Bädern - meist zeitlich beschränkt - gestattet.
Die Sitte, sich während oder nach dem Bad mit Essen und Trinken
zu stärken, haben viele Bäder übernommen. In wenigen
europäischen Regionen konnten sich öffentliche Schwitzstuben
halten. So gab es in der Schweiz bis ins 19. Jahrhundert eine
Zunft der Bader und in Irland existierte noch das "sweating-house",
das vor allem zu Jahrmarktzeiten frequentiert wurde. In Europa
wurde das Baden erst im 19. Jahrhundert in den Badeanstalten,
die vordergründig medizinisch-wissenschaftlichen Zwecken
dienten, wieder salonfähig.
DAS
WANNENBAD
Schon in der minoischen
Epoche auf Kreta finden sich Wannenbäder, Kanalisationsanlagen
und Wasserklosetts. Übernommen wurden diese aus der mykenischen
Kultur aus dem zweiten vorchristlichen Jahrtausend. Auch spätere
Kulturen, wie etwa die römische gründen ihre Badetradition auf
diesen alten Überlieferungen. Die traditionelle japanische Art
zu baden, weist nach wie vor die Wanne bzw. das Becken als
Hauptattraktion auf.
DIE SAUNA
Ihren Ursprung
hat die Schwitzhütte im innerasiatischen Raum. Von dort dürfte
sie sich nach Nordeuropa weiterbewegt haben, um in Finnland
fixer Bestandteil der Kultur zu werden. Selten findet man ein
finnisches Haus, das nicht mit einer so genannten
"Sauna" (= finnisches Badehaus) ausgestattet ist. Im
finnischen Badehaus herrscht eine Temperatur um die 80°C.
Trockene Hitze wechselt sich mit Wasserdampf ab, der durch das
Übergießen von heißen Steinen entsteht. Danach folgt meist
ein Kaltwasserguss im so genannten "Tauchbecken" in
Hallenbädern. Steht die Sauna im Freien, erfolgt die Abkühlung
in fließenden natürlichen Gewässern oder im Schnee. Letzteres
entspricht der finnischen Tradition am ehesten. Birkenäste
werden zum leichten Klopfen der Haut verwendet, um die
Durchblutung anzuregen. Bei manchen Saunagehern finden auch ätherische
Öle Verwendung, von denen einige Tropfen in das Wasser gegeben
werden, mit dem man dann die heißen Steine übergießt. Beliebt
sind auch Kräuter wie Eukalyptus, da sie die Atemwege frei
legen. Viele Bäder setzen diese Form der Sauna mit Kräuter-
und Eukalyptusstuben bisweilen fort. Der Sauna wird günstige
Wirkung bei Hautkrankheiten, Muskel- und Gelenkserkrankungen
nachgesagt. Bei Herz- und Kreislaufbeschwerden ist von einem
Besuch eher abzuraten.
DIE
BADEANSTALT
Nach dem
Niedergang der Badekultur, die im Barockzeitalter mit seinem
Puder-, Parfum- und Perückenfimmel den Tiefpunkt erreicht
hatte, kam zumindest dem Kaltbad wieder Bedeutung zu.
Medizinische Anwendung fand das Baden erstmals wieder im England
des 19. Jahrhunderts, wo die Hydrotherapie in den verschiedenen
Kuranstalten angewandt wurde. Diese Kurbäder lagen an
einer natürlichen Quelle mineralhältigen Wassers oder in der Nähe
von natürlichen Heilschlammvorkommen. Vor allem reiche Patient/innen
konnten dort therapiert werden und versuchten eine
aristokratische Variante des sinnesreichen mittelalterlichen
Badens wieder auferstehen zu lassen. Die Kurorte waren zumeist
nicht nur mit dem Bad selbst bestückt, sondern hatten auch
einen großzügig angelegten Kurpark mit Musikpavillon und einem
kleinen Theater, damit die geistigen Genüsse neben den körperlichen
nicht zu kurz kamen. Die luxuriöse Einrichtung der Anstalten
hatte jedoch nur mehr wenig mit den aus dem arabischen Raum
stammenden "Hamams" gemeinsam. Die eigentlichen Baderäume
waren eher zweckdienlich und spartanisch eingerichtet,
wohingegen das Umfeld, wie Speise- oder Veranstaltungsräume
aufwendig gestaltet waren. Die Dampfbäder und Saunas wurden zu
individuellen Miniaturausführungen in Form von Schwitzbetten.
Nach wie vor erhalten ist diese Einzelbetreuung in den Kurbädern
bei Moorpackungen, Unterwassermassagen und Ähnlichem. |
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