Christine Busta
( 1915 - 1987 )

Christine Busta wurde 1915 in Wien geboren. Ihre Lyrik wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet:
 u.a. 1954 Georg-Trakl-Preis und 1969 Großer Österreichischer Staatspreis. Sie starb 1987 in Wien.
Bücher von Christine Busta gibt es im Buchhandel und bei Amazon


„Wir sind aufeinander angewiesen,
wir brauchen alle einen,
der unsere Widersprüche
in sich aufhebt
und sich nicht verweigert,
einen, der redet,
auch wenn er schweigt.“
 

EIN MORGENBRIEF
 
Heute Nacht hat es gut geregnet.
 
Ich ließ mein Fenster offen.
Das Dunkel war ganz erfüllt
von behutsamen Stillgeräuschen
der Liebe zwischen Himmel und Erde.
 
Ich habe sie eingeatmet.
Morgenstill glänzt sie dir immer noch
nach in meinem Gehör.

Aus: Christine BUSTA. Gedichte. Der Atem des Wortes.
Otto Müller Verlag Salzburg 1995

 


Es ist schlimmer ...

Es ist schlimmer, einen geliebten Menschen
an das Leben zu verlieren
als an den Tod.

Das Leben ist der gefährliche Räuber,
nicht der Tod.
Er tastet die Liebe nicht an.
Er bewahrt und erweitert sie
zu einer neuen Dimension.

 

Christine Busta, Mai 1986
Quelle: Christine Busta, Der Himmel im Kastanienbaum, Gedichte, 1989, Otto Müller Verlag Salzburg

Am Rande

Manchmal auf einer Schwelle sitzen,
ausruhn vom Gehn, das nicht ankommt,
die Türe hinter dir und nicht klopfen.

Alle Geräusche wahrnehmen
und keines verursachen.
Das Leben, das dich nicht annimmt, erhören:
im Haus, auf der Straße,
das Herz der Maus und des Motors,
die Stimmen von Luft und Wasser,
die Schritte des Menschen, der Sterne,
das Seufzen von Erde und Stein.

Manchmal setzt sich das Licht zu dir
und manchmal der Schatten,
treue Geschwister.
Staub will nisten auf dir
und unbetretbarer Schnee.

Langsam unter der Zunge
wärmt sich dein letztes Wort.

Die Wand

Du warst die Wand, an die ich mich lehnte,
und die Wand, an der ich mich stieß.
Dann begannst du zurückzuweichen.
Jetzt bist du unerreichbar geworden.
 
Aber ich weiß, zuletzt
wirst du die Wand sein, die auf mich zukommt,
und ich werde durch dich hindurchgehn,
ohne dass wir einander verletzen.

Vom Altern

Der Liebe wird alles wichtig und lieb:
eine Schattenmulde in der Wange,
das Runzelgeflecht ums Auge,
eine Kindheitsnarbe unter den Zehen,
ein verborgener Makel der Haut,
eine sichtbarer werdende Ader
und die kahle Stelle im Haar.

Jeder Verlust wird auch Gewinn
und mehrt die Erinnerung.
Treuer als Lust macht Zärtlichkeit,
der Schmerz um Vergängliches erneuert.
Aus den Filtern behutsamer Trauer
bergen wir die Schönheit, die bleibt.

Einsilbig ist die Sprache der Nacht

In Enge und Not bin ich aufgewachsen,
aber ich hatte genug zum Staunen,
eh man mir das Kritteln beibrachte;
ich zehr davon heut noch fürs Überleben.
Um die Schlafjahre, die ich mir abstehlen musste
zum Bücherlesen, zum Lernen und Schreiben,
bin ich früher gealtert als andre
und jünger geblieben mit grauem Haar.

Auch ich hab mich gegen das Unrecht empört -
und viel zu viel selber angerichtet.
Als ich das einzusehen begann,
hätt ich beinahe das Lachen verlernt,
gäb es nicht immer noch Kinder und Katzen.

Ich hab mit Gewinn und Verlust geliebt
und immer nur sehr genau kalkuliert,
ob es für Obdach und Brot noch langte.
(Zum Betteln hat´s mir an Demut gefehlt.)

Manchmal wär ich gern tüchtig gewesen,
um es den Freunden zu erleichtern,
auf mich auch ein bisschen stolz zu sein,
leider ist daraus nichts geworden.
Einige blieben mir trotzdem treu.

Alles in allem habe ich dankbar
gelebt, auch wenn es mich so erschöpft hat,
dass ich oft schon aufgeben wollte.

Einiges habe ich ausgekostet
bis zur bitteren Neige der Schuld.
Aber sie hat mich wach gehalten -
auch für die Augenblicke der Gnade.

Manchmal, wenn ich auf blinder Haut noch
das tägliche Licht als Ereignis spüre,
bin ich wieder der erste Mensch.

Aus "Einsilbig ist die Sprache der Nacht", Otto Müller-Verlag Salzburg, 2000

 
 

„Wo holt sich die Erde die himmlischen Kleider?“

Wo holt sich die Erde die himmlischen Kleider? 
Beim Wettermacher, beim Wolkenschneider.
Sie braucht keine eitlen Samte und Seiden, 
sie nimmt, was er hat, und trägt froh und bescheiden 
das Regenschwere, das Flockenleichte, 
das Schattenscheckige, Sonngebleichte, 
das Mondgewobne und Sternbestickte, 
das Windzerrissene, Laubgeflickte, 
das Gockelrote, das Igelgraue, 
das Ährengelbe, das Pflaumenblaue, 
das Gräserkühle, das Nesselheiße, 
das Hasenbraune, das Schwanenweiße -
und schlendert die Jahre hinauf und hinunter:
je schlichter, je lieber, je schöner; je bunter.


Stille Anweisung

Ruh dich aus,
Mir brauchst du das Gras nicht zu schneiden.
Lass es mitsamt dem unbändigen Unkraut
weiterwachsen auf meinem Hügel.

Horch lieber, ob dir nicht unter der Erde
eine schon dicht vergrünte Stimme
immer noch sagt:" Ich wachse dir zu..."

 

 

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