Mascha Kaléko
(1988-1975)

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Leider oder Gottseidank

Wenn dich auf Erden der Wechsel verdrießt,
wirf keine Anker im Wasser, das fließt.
Nichts ist beständig, nicht Schmerz noch Genuss.
Zweimal schwimmt keiner im selben Fluss
...
Mascha Kaléko
 

 

Alle 7 Jahre
Mascha Kaléko

In den weisen Büchern habe ich gelesen:
Alle sieben Jahre wandelt sich dein Wesen.
Alle sieben Jahre, merket, Mann und Weib,
Wandelt sich die Seele, wandelt sich der Leib.

Wandelt sich dein Hassen, wandelt sich dein Lieben.
Und ich zählte heimlich: drei Mal, vier Mal sieben.
Ach, die Geister kamen. Und mein Ohr vernimmt:
Alle sieben Jahre ... Siehe da, es stimmt.

Sorgenvoll betracht ich alle Liebespaare.
Ob sie es wohl wissen: Alle sieben Jahre ... !
Selbst in deinen Armen fragt mein Schatten stumm:
Wann sind wohl, Geliebter, unsre sieben um?.....
 


 

Strickmuster-Spruch fürs Kopfkissen

Sobald man beginnt,
Gespenster zu sehen,
Und spärlich bekleidet
Spazieren zu gehen,
Von Türmen zu sinken,
- Im Bad zu ertrinken,
Sobald man sich duzt
Mit Dämonen und Drachen,
Empfiehlt es sich, schleunigst
Aufzuwachen.

Mascha Kaléko

 

 


Foto:  © visual-worlds

Der Mann im Mond

Der Mann im Mond hängt bunte Träume,
die seine Mondfrau spinnt aus Licht,
allnächtlich in die Abendbäume,
mit einem Lächeln im Gesicht.

Da gibt es gelbe, rote, grüne
und Träume ganz in Himmelblau.
Mit Gold durchwirkte, zarte, kühne,
für Bub und Mädel, Mann und Frau.

Auch Träume, die auf Reisen führen
in Fernen, abenteuerlich.
- Da hängen sie an Silberschnüren!
Und einer davon ist für DICH.
 

 

 

Für Einen

Die Andern sind das weite Meer.
Du aber bist der Hafen.
So glaube mir: kannst ruhig schlafen,
Ich steure immer wieder her.
.
Denn all die Stürme, die mich trafen,
Sie ließen meine Segel leer.
Die Andern sind das bunte Meer,
Du aber bist der Hafen.
.
Du bist der Leuchtturm. Letztes Ziel.
Kannst Liebster, ruhig schlafen.
Die Andern ... das ist Wellenspiel,
.
Du aber bist der Hafen.

 

Take it easy

Tehk it ih-sie, sagen sie dir
Noch dazu auf englisch. "Nimm's auf die leichte Schulter"

Doch, du hast zwei.
Nimm's auf die leichte.

Ich folgte diesem populären
humanitären Imperativ.
Und wurde schief.
Weil es die andere Schulter
auch noch gibt.

Man muss sich also leider doch bequemen,
es manchmal auf die schwerere zu nehmen:

 

Langschläfers Morgenlied

Der Wecker surrt. Das alberne Geknatter
Reißt mir das schönste Stück des Traums entzwei.
Ein fleißig Radio übt schon sein Geschnatter.
Pitt äußert, dass es Zeit zum Aufstehn sei.

 Mir ist vor Frühaufstehern immer bange.
. . . Das können keine wackern Männer sein:
Ein guter Mensch schläft meistens gern und lange.
- Ich bild mir diesbezüglich etwas ein . . .

Das mit der goldgeschmückten Morgenstunde
Hat sicher nur das Lesebuch erdacht.
Ich ruhe sanft. - Aus einem kühlen Grunde:
Ich hab mir niemals was aus Gold gemacht.

Der Wecker surrt. Pitt malt in düstern Sätzen
Der Faulheit Wirkung auf den Lebenslauf.
Durchs Fenster hört man schon die Autos hetzen.
- Ein warmes Bett ist nicht zu unterschätzen.
. . . Und dennoch steht man alle Morgen auf.

 

Anschauung

Interessanter, als das unendliche All
ist eine Prise Leben.
 
Mächtiger, als die komplizierte Natur
ist der einfache Mensch.
 
Schrecklicher, als ein ernster Streit
ist ein lächerlicher Krieg.

Wertvoller, als eine weiße Taube
ist ein grauer Friede.
 

 

Unsinn und Sinn

Du suchst und suchst. Und kannst den Sinn nicht finden.
Gib's auf; denn so wirst du ihn nicht ergründen.
Pfeif dir ein Liedchen, träume vor dich hin,
wie oft enthüllt im Un-Sinn sich der Sinn!

aus "In meinen Träumen läutet es Sturm"

 

Verachte mir nicht das Studieren,
willst du auch instinktiv das Rechte.
Gar mancher weiß wohl, was er möchte,
doch kann er es nicht buchstabieren.

 

Katzenjammermonolog

Zuweilen möchte man aus sich heraus
und kann die Tür ins Freie doch nicht finden.
Dann schnüffelt man vielleicht mal nach den Gründen
und kriecht noch tiefer in sein Schneckenhaus.
 
Man müsste vieles tun und manches lassen,
und kann das eine wie das andere nicht.
Man denkt an manche unerfüllte Pflicht,
bis sich die Dinge dann mit uns befassen.
 
So vieles tut man rasch in Acht und Bann
mit Augen, die geschlossen schon erblinden.
Doch auch das Schicksal hat so dann und wann
auf unserem Konto Unterlassungssünden.
 
Mitunter scheint's, man sei nun endlich da,
- Am Ziel, von dem man schüchtern nur geträumt hat -
Da plötzlich merkt man, das man was versäumt hat,
Ein dummes Etwas nur. Beinah ... beinah.
 
Wenn man ein zweites Mal geboren würde,
Dann finge man das Leben anders an.
- Vielleicht, dass dann so manches anders würde...
(Vorausgesetzt, dass man vergessen kann-)
 
Das man vergessen kann, was man erfahren.
Man horcht sehr oft zu viel in sich herum.
Am besten wär es, klug zu sein und stumm.
Man ist zuweilen alt mit zwanzig Jahren.

 

Wo sich berühren Raum und Zeit...

Wo sich berühren Raum und Zeit,
Am Kreuzpunkt der Unendlichkeit,
Ein Pünktchen im Vorüberschweben –
Das ist der Stern, auf dem wir leben.

Wo kam das her, wohin wird es wohl gehen?
Was hier verlischt, wo mag das auferstehn?
- Ein Mann, ein Fels, ein Käfer, eine Lilie
Sind Kinder einer einzigen Familie.

Das All ist eins. Was „gestern“ heisst und „morgen“,
Ist nur das Heute, unserm Blick verborgen.
Ein Korn im Stundenglase der Äonen
Ist diese Gegenwart, die wir bewohnen.

Dein Weltbild, Zwerg, wie du auch sinnst,
Bleibt ein Phantom, ein Hirngespinst.
Dein Ich – das Glas, darin sich Schatten spiegeln,
Das „Ding an sich“ – Ein Buch mit sieben Siegeln.

Wo sich berühren Raum und Zeit,
Am Kreuzpunkt der Unendlichkeit –
Wie Windeswehen in gemalten Bäumen

Umrauscht uns diese Welt, die wir nur träumen.
 

Mit auf die Reise

Ich kann dir keinen Zauberteppich schenken,
Noch Diamanten oder edlen Nerz,
Drum geb ich dir dies Schlüsselchen von Erz,
Dazu mein ziemlich gut erhaltnes Herz
Zum Anmichdenken.

Ich kann dir keine braven Socken stricken,
Und meine Kochkunst würde dich nur plagen.
Drum nimm den Scherben rosarotes Glas,
Der führt ins Märchenland Ichweißnichtwas
An grauen Tagen.

Ich kann dir nicht Aladdins Lampe geben,
Kein »Sesam« und auch keinen Amethyst.
Doch weil dein Herz mir Flut und Ebbe ist,
Hier, diese Muschel, schimmernd wie von Tränen,
Zum Nachmirsehnen.

 

Einmal sollte man...

Einmal sollte man seine Siebensachen
Fortrollen aus diesen glatten Geleisen.
Man müßte sich aus dem Staube machen
Und früh am Morgen unbekannt verreisen.

Man sollte nicht mehr pünktlich wie bisher
Um acht Uhr zehn den Omnibus besteigen.
Man müßte sich zu Baum und Gräsern neigen,
Als ob das immer so gewesen wär.

Man sollte sich nie mehr mit Konferenzen,
Prozenten oder Aktenstaub befassen.
Man müßte Konfession und Stand verlassen
Und eines schönen Tags das Leben schwänzen.

Es gibt beinahe überall Natur,
- Man darf sich nur nicht sehr um sie bemühen -
Und soviel Wiesen, die trotz Sonntagstour
Auch werktags unbekümmert weiterblühen.

Man trabt so traurig mit in diesem Trott.
Die anderen aber finden, daß man müßte...
Es ist fast so, als stünd man beim lieben Gott
Allein auf der schwarzen Liste.

Man zog einst ein Lebenslos "zweiter Wahl".
Die Weckeruhr rasselt. Der Plan wird verschoben.
Behutsam verpackt man sein kleines Ideal.
- Einmal aber sollte man... (Siehe oben!)

 

Alle 7 Jahre
Mascha Kaléko

In den weisen Büchern habe ich gelesen:
Alle sieben Jahre wandelt sich dein Wesen.
Alle sieben Jahre, merket, Mann und Weib,
Wandelt sich die Seele, wandelt sich der Leib.

Wandelt sich dein Hassen, wandelt sich dein Lieben.
Und ich zählte heimlich: drei Mal, vier Mal sieben.
Ach, die Geister kamen. Und mein Ohr vernimmt:
Alle sieben Jahre ... Siehe da, es stimmt.

Sorgenvoll betracht ich alle Liebespaare.
Ob sie es wohl wissen: Alle sieben Jahre ... !
Selbst in deinen Armen fragt mein Schatten stumm:
Wann sind wohl, Geliebter, unsre sieben um?.....

 

 

Quellennachweis: 
Mascha Kaléko, Verse für Zeitgenossen, Rowohlt Verlag, ISBN 3-499-14659-2
Mascha Kaléko, Das lyrische Stenogrammheft
Mascha Kaléko, In meinen Träumen läutet es Sturm
 

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