Textstreusel und andere kluge Worte


Fort aus Qualm und Bücherstaub! 


Fort aus Qualm und Bücherstaub!
Hold ist toller Übermut;
haschen wir in keckem Raub
frischer Jugend köstlich Gut!
Ernsten Sinn und ehrbar Streben
überlassen wir dem Greis,
der ein ungebundnes Leben
büßen mag durch Tugendfleiß.
Eilend geht die Zeit dahin,
da wir lernen sollen,
und der heitre Jugendsinn>
lädt uns ein zu tollen."

Ludwig Laistner (1845-1896)

Dieses Gedicht sandte mir mein lieber Freund Hartmut alias Buchstapler :-)
Danke, lieber Hartmut, dass du immer an mich denkst, wenn du beim Buchstapeln
über etwas Interessantes stolperst, das auf meine Seite passen könnte !

 

Bücher, süße Reben
John Updike

Bücher, die, schwer wie süße, ungeerntete Reben,
darauf warten, gelesen,
mit einem plötzlichen Griff heruntergeholt zu werden,
dass der Staub der Jahre von ihnen abfällt
und endlich ihr Augenblick des Triumphes gekommen ist,
da ich sie nehme und mich in sie versenke.
Solche Bücher sind das Unterpfand einer unendlichen Zukunft,
so wie ihre Brüder, die schon gelesenen,
aber größtenteils vergessenen,
die unerschöpfliche Quelle für eine potenzielle neue Lektüre,
für neue Blickwinkel und Einsichten auf ein Gelände,
auf dem wir keine bleibende Spur hinterlassen haben.
Bücher stülpen unser Gehirn nach außen
und machen aus unseren Wohnungen denkende Wesen.

 

Ein harmloses Tierchen

Ein Buch ist ja keine Drehorgel, womit uns der Invalide unter dem Fenster unerbittlich die Ohren zermartert. Ein Buch ist sogar noch zurückhaltender als das doch immerhin mit einer gewissen offenen Begehrlichkeit von der Wand herabschauende Bildnis. Ein Buch, wenn es zugeklappt daliegt, ist ein gebundenes, schlafendes, harmloses Tierchen, welches keinem was zuleide tut. Wer es nicht aufweckt, den gähnt es nicht an; wer ihm die Nase nicht gerade zwischen die Kiefer steckt, den beißt's auch nicht.

Wilhelm Busch, Eduards Traum

 

Kunst und anderes

Es gibt zwei Arten von Schriftstellern.
Solche, die es sind, und solche, die es nicht sind.
Bei den ersten gehören Inhalt und Form zusammen wie Seele und Leib,
bei den zweiten passen Inhalt und Form zusammen wie Leib und Kleid.

Meine Sprache ist die Allerweltshure, die ich zur Jungfrau mache.
Feuilletonisten und Friseure haben gleich viel mit den Köpfen zu schaffen.
Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen?
Warum schreibt mancher? Weil er nicht genug Charakter hat, nicht zu schreiben.
Den Witz eines Witzigen erzählen heißt bloß: einen Pfeil aufheben.
Wie er abgeschossen wurde, sagt das Zitat nicht.

Man könnte größenwahnsinnig werden: so wenig wird man anerkannt.
Zu allen Dingen lasse man sich Zeit; nur nicht zu den ewigen.
Die Sprache ist die Mutter, nicht die Magd des Gedanken.

Karl Kraus (1874-1936)

 

Schweigt vom Lesen!

Für eine Subspezies der Bücherfreunde - die nicht Bildungsbeflissenen, die Lust betonten - ist das Lesen keine Fleißarbeit, sondern augesuchtester Müßiggang. Eine eskapistische, intime Lust, so einzigartig, dass sie sich mit niemandem teilen lässt. Schon darüber zu sprechen, fällt schwer. Freunden von der Buchlust zu erzählen, von dieser Mischung aus Fülle und Verlorenheit, die einen beim Lesen ereilt, von der Trauer, wenn ein Buch beendet ist, und von der Gier, ein neues zu beginnen, ist eigentlich unmöglich. Lasst uns nicht vom Lesen sprechen! Diese Leidenschaft bedarf keiner Wörter. Wer sie nicht kennt, wird sie eines Tages für sich entdecken. Und dankbar sein für jedes Buch, das ihm nicht bis dahin durch die Qual der Schullektüre oder die Empfehlung eines Langeweilers verdorben worden ist. Eltern, lasst euch beim lustvollen Lesen erwischen, statt euren Kindern die Bedeutung des Lesens für die Karriere zu predigen! Lasst uns am Welttag des Buches schweigen vom Lesen. Literatur lässt sich nur im Stillen entdecken. Wir rufen an diesem Tag, an dem soviele Reden gehalten werden, inmitten dieses Rummels, zu einer Schweigeminute für das Buch auf. Oder nehmen Sie ein gutes Buch zur Hand - und verwandeln Sie eine Minute in einen ganzen Nachmittag. Bringen Sie die Welt zum Stillstand.

Fridtjof Küchemann

 

Der schreibende Freund

"Einer meiner Freunde, ein Journalist, hat immer behauptet, daß ich an Verfolgungswahn leide. Jetzt hat er einen Roman geschrieben, der von einem bedeutenden Verleger veröffentlicht wird. 'Armer Junge', sagte ich zu ihm. 'Du warst ein glücklicher, zufriedener Mensch, solange du dich als Kritiker betätigt hast. Warum bist du ins andere Lager übergelaufen?' Jetzt ist es aus mit dem schönen Leben meines Freundes. In einigen Wochen, nach Erreichen des vierzehnten Platzes auf der Bestsellerliste, wird er völlig am Ende sein. Ein Nervenbündel inmitten all der anderen schreibenden Neurotiker. Und in spätestens einem Jahr werde ich mit ihm über seinen Verfolgungswahn sprechen." "Woher wissen Sie, daß sein Roman nicht durchfällt?" "Ich sagte ja, du würdest mich nicht verstehen. Wenn sein Buch ein Flop wird, wäre mein Freund gerettet. Nach einer Weile hätte er das Ganze vergessen und könnte so arrogant sein wie vorher. Gefährlich wird es, wenn sein Buch ein Erfolg wird. Dann muß er einen zweiten Roman schreiben. Gott steh ihm bei.

Ephraim Kishon: Eintagsfliegen leben länger

 

Weg des Schriftstellers

Der Weg des Schriftstellers zu seinem Buch beginnt zwar tatsächlich am Schreibtisch, doch irgendwann wird er zum Spießrutenlauf, an dem eine Menge freundlicher Vampire teilnehmen: Verleger mit ihren bebrillten Sekretärinnen, besessene Korrekturleser, überforderte Herstellungsleiter, literaturbeflissene Lektorinnen, arbeitslose Graphiker, neue Redakteure und alte Drucker, die zwei Buchhalter in der dritten Etage, die provisorisch vakante Lizenzabteilung, schläfrige Buchbinder, die Lehrlinge aus der Presseabteilung, die PR-Mafia, der Rundfunk und das Fernsehen, Buchmessen, Signierstunden und als Epilog das Protestschreiben des Malers Ronald Lloyd Bialazurkowich gegen unerlaubten Gebrauch seines Namens auf Seite 22 dieses Buches sowie die Delegation der Klassenbesten der 2b, die um ein Interview für die Grundschulzeitung bitten.

Ephraim Kishon: Eintagsfliegen leben länger, S 17.

 

"Mich drängt′s, den Grundtext aufzuschlagen,
Mit redlichem Gefühl einmal
Das heilige Original
In mein geliebtes Deutsch zu übertragen.
Er schlägt ein Volum auf und schickt sich an.
Geschrieben steht: »Im Anfang war das Wort!«
Hier stock′ ich schon! Wer hilft mir weiter fort?
Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen,
Ich muß es anders übersetzen,
Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin.
Geschrieben steht: Im Anfang war der Sinn.
Bedenke wohl die erste Zeile,
Daß deine Feder sich nicht übereile!
Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft?
Es sollte stehn: Im Anfang war die Kraft!
Doch, auch indem ich dieses niederschreibe,
Schon warnt mich was, daß ich dabei nicht bleibe.
Mir hilft der Geist! Auf einmal seh′ ich Rat
Und schreibe getrost: Im Anfang war die Tat!"

Johann Wolfgang von Goethe: Faust – Der Tragödie erster Teil

 

Lesen ist das verstehende Aufnehmen schriftlich fixierter Sprachfügungen, wobei zusammenhängende Symbolgestalten erfasst und Denkvorgänge von fremden Menschen nachvollzogen und kritisch durchdacht werden
(F. Kainz: Psychologie der Sprache. Klett, Stuttgart, 1956. S. 162).

Lesen ist jener komplexe, vielschichtige Vorgang der Entschlüsselung (aufnehmen, erfassen, wieder erkennen, aussprechen) von schriftlich fixierten Zeichen (Symbolgestalten) zum Zwecke der denkenden Verarbeitung, der Interpretation und der kritischen Auseinandersetzung mit einer Information (dem Inhalt eines Textes).
(G. Wehlend: Methodenelemente der Leseerziehung. Dipl. A. Wien, 1999)

 

Es gibt eine gewisse Art von Büchern, und wir haben in Deutschland eine große Menge, die nicht vom Lesen abschrecken, nicht plötzlich einschläfern, oder mürrisch machen, aber in Zeit von einer Stunde den Geist in eine gewisse Mattigkeit versetzen, die zu allen Zeiten einige Ähnlichkeit mit derjenigen hat, die man einige Stunden vor einem Gewitter verspürt. Legt man das Buch weg, so fühlt man sich zu nichts aufgelegt, fängt man an zu schreiben, so schreibt man eben so, selbst gute Schriften scheinen diese laue Geschmacklosigkeit anzunehmen, wenn man sie zu lesen anfängt. Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß gegen diesen traurigen Zustand nichts geschwinder hilft als eine Tasse Kaffee mit einer Pfeife Varinas.

Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799), Sudelbücher
 

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