Bücher - Lesen - Worte - Dichtung

Man sollte alle Tage wenigstens ein kleines Lied hören,
ein gutes Gedicht lesen, ein treffliches Gemälde sehen,
und wenn es möglich wäre, einige vernünftige Worte sprechen.

Johann Wolfgang von Goethe

A p h o r i s m e n

Textstreusel 

Links zu Bücherseiten

Worte sind der Seele Bild (Goethe)

 

 

Triffst du einen Menschen... (Konfuzius)

Das Wort (Vaclav Havel)

 

 

Wisset nur, dass Dichterworte (Goethe)

Derb und  tüchtig (Goethe)

Ein Gedicht (Marie-Luise Kaschnitz)

Gedichte sind gemalte Fensterscheiben (Goethe)

Dichterleben, Himmelsgabe (Friederike Kempner)

Die armen Worte (Rilke)

Welch eine Sprach ist schön (Rückert)

Gedichte lesen (Erich Fried)

Bücher (Hermann Hesse)

Letteritis (Eugen Roth)

Bücher (Eugen Roth)

Poem on a Branch (Y. Yevtushenko )

Der Bücher-WURM (Erhard Horst Bellermann)

Rätsel Buch (Josef Guggenmos)

Zwei Bücher (Hans Baumann)

Ein Buch (Schweiggert)

Kritik des Herzens (Wilhelm Busch)

Bibliothek (Ernst Jandl)

Bücher können... (H. Kulick)

Arbeiter der Stirn (Eugen Roth)

Ausbrechen (Wolfgang Bächler)

 Einleitung (Ingeborg Goebel)

Schreiben (Peter Engel)

Der Lebensfreude Quell (unbekannt)

Einem jungen Dichter ins Album (Bodenstedt)

Die Dichter (Münchhausen)

Unsre Sprache (Klopstock)

Die achte Todsünde (Arno  Holz)

Ein anspruchsvolles Buch (Rückert)

Nur jener Dichter wird umworben (G. von Signau)

Musengunst (Eckermann)

Die Feder kritzelt (Nietzsche)

Grammatische Deutschheit (Rückert)

Gedichte von  R o s e  A u s l ä n d e r

Wie wohl ist dem, der... (Wilhelm Busch)

Der Bücherfreund (Ringelnatz)

Der Bücherwurm (Fridolin Wasserburg)

Lesen ist ein Wunder (Ebner-Eschenbach)

Bist du ein Schriftsteller? (Ralph Waldo Trine)

Ums Buch ist mir nicht bange (Robert Gernhardt)

Kauft Bücher (Eugen Roth)

Bücherlesen (Günter Kunert)

Wär ich ein Buch (Liedtext)

Einen Dichter als Freund (Tomaso Urso)

Die dünnsten Bücher der Welt (humorvoll)

Im  Volkston (Theodor Storm)

Schriftliches (humorvoll)

Ihr Worte (Ingeborg Bachmann)

Ex Libris (in Vorbereitung...)

Verzeihlich (Wilhelm Busch)

Der Dichter gibt nicht den Himmel,
der ruht im Herzen dein,
er leiht dir nur den Schlüssel,
damit du kannst hinein.

Aus "Lebensfreude", Sprüche und Gedichte, 6. Aufl., Verlag P. J. Tonger

 

"Wann, wenn nicht jetzt? 
Lasst uns die Gedichte, Bücher und Geschichten lesen und schreiben, damit etwas von wahrem Wert entsteht. 
Lasst uns die Länder bereisen und die Menschen suchen, deren Bekanntschaft unser Leben verändert.
Lasst uns endlich die Dinge beginnen, die der Mühen wert sind. 
Lasst uns mehr als nur pathetisch zu fordern, selbst wieder handeln! 
Wann, wenn nicht jetzt?" 
 © O.D. - einem Freund der Lyrik :-)

 

 

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Worte sind der Seele Bild


Worte sind der Seele Bild -
Nicht ein Bild! sie sind ein Schatten!
Sagen herbe, deuten mild,
Was wir haben, was wir hatten. -
Was wir hatten, wo ists hin?
Und was ists denn, was wir haben? -
Nun, wir sprechen! Rasch im Fliehn
Haschen wir des Lebens Gaben.

Johann Wolfgang von Goethe

 

 

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Triffst du einen Menschen,
mit dem zu reden sich lohnt,
und du redest nicht mit ihm,
so hast du einen Menschen verfehlt.
Triffst du einen Menschen,
mit dem zu reden sich nicht lohnt,
und du redest mit ihm,
so hast du deine Worte vergeudet.
Der Weise verfehlt weder einen Menschen,
noch vergeudet er seine Worte.

Konfuzius (551-479 v. Chr.)

 

"Der arme Poet" von Carl Spitzweg (1808-1885)

 

 

 

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Das Wort

Das Wort ist eine geheimnisvolle,
vieldeutige, ambivalente, verräterische Erscheinung.
Es kann ein Lichtstrahl im Reich der Finsternis sein,
wie einst Belinskij 'Das Gewitter' von Ostrowskij genannt hat,
doch es kann auch ein todbringender Pfeil sein.
Und was das schlimmste ist:
Es kann eine Weile dies und eine Weile jenes sein,
es kann sogar beides gleichzeitig sein!
Dasselbe Wort kann einmal große Hoffnung ausstrahlen,
ein anderes Mal nur Todesstrahlen aussenden.
Dasselbe Wort kann einmal wahrhaftig
und ein anderes Mal lügnerisch sein,
einmal faszinierend und ein anderes Mal trügerisch,
einmal kann es herrliche Perspektiven eröffnen
und ein anderes Mal nur Gleise verlegen,
die in ganze Archipele von Konzentrationslagern führen.
Dasselbe Wort kann einmal ein Baustein des Friedens sein,
und ein anderes Mal kann jeder einzelne seiner Laute
vom Echo der Maschinengewehre dröhnen.

Vaclav Havel

 

 

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Wolltet ihr ihm dies beneiden,
Oder etwa gar verleiden;
Wisset nur, daß Dichterworte,
um des Paradieses Pforte
immer leise klopfend schweben
sich erbittend ewges Leben.

Goethe, west-östlicher Diwan

 

 

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Derb und tüchtig

Dichten ist ein Übermut,
Niemand schelte mich!
Habt getrost ein warmes Blut
Froh und frei wie ich.

Sollte jeder Stunde Pein
Bitter schmecken mir,
Würd ich auch bescheiden sein
Und noch mehr als ihr.

Denn Bescheidenheit ist fein,
Wenn das Mädchen blüht,
Sie will zart geworben sein,
Die den Rohen flieht.

Auch ist gut Bescheidenheit,
Spricht ein weiser Mann,
Der von Zeit und Ewigkeit
Mich belehren kann.

Dichten ist ein Übermut!
Treib es gern allein.
Freund' und Frauen, frisch von Blut,
Kommt nur auch herein!

Mönchlein ohne Kapp und Kutt,
Schwatz nicht auf mich ein!
Zwar du machest mich kaputt,
Nicht bescheiden, nein!

Deiner Phrasen leeres Was
Treibet mich davon,
Abgeschliffen hab ich das
An den Sohlen schon.

Wenn des Dichters Mühle geht,
Halte sie nicht ein:
Denn wer einmal uns versteht,
Wird uns auch verzeihn.

Goethe, west-östlicher Diwan

 

 

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Ein Gedicht

Ein Gedicht, aus Worten gemacht.
Wo kommen die Worte her?
Aus den Fugen wie Asseln,
Aus dem Maistrauch wie Blüten,
Aus dem Feuer wie Pfiffe,
Was mir zufällt, nehm ich,

Es zu kämmen gegen den Strich,
Es zu paaren widernatürlich,
Es nackt zu scheren,
In Lauge zu waschen
Mein Wort

Meine Taube, mein Fremdling
Von den Lippen zerrissen,
Vom Atem gestoßen,
In den Flugsand geschrieben

Mit seinesgleichen
Mit seinesungleichen

Zeile für Zeile,
Meine eigene Wüste
Zeile für Zeile
Mein Paradies.

Marie-Luise Kaschnitz (1901-1974)

 

 

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Gedichte
sind gemalte Fensterscheiben


Sieht man vom Markt in die Kirche hinein,
Da ist alles dunkel und düster;
Und so sieht's auch der Herr Philister:
Der mag denn wohl verdrießlich sein
Und lebenslang verdrießlich bleiben.
Kommt aber nur einmal herein!

Begrüßt die heilige Kapelle;
Da ist's auf einmal farbig helle,
Geschicht' und Zierrat glänzt in Schnelle;
Bedeutend wirkt ein edler Schein;
Dies wird euch Kindern Gottes taugen;
Erbaut euch und ergötzt die Augen!

Johann Wolfgang von Goethe

 

 

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Dichterleben, Himmelsgabe

Dichterleben, Himmelsgabe,
Selbst im Unglück glücklicher -
Als die breiten, kot'gen Pfade
Der Gemeinheit sicherlich.

 
Friederike Kempner (1836-1904)

 

 

Die armen Worte

Die armen Worte, die im Alltag darben
die unscheinbaren Worte, lieb ich so
Aus meinen Festen schenk ich ihnen Farben
da lächeln sie und werden langsam froh

Ihr Wesen, das sie bang in sich bezwangen
erneut sich deutlich dass es jeder sieht
sie sind noch niemals im Gesang gegangen
und schauernd schreiten sie in meinem Lied.

Rainer Maria Rilke (1875-1926)

 

 

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“Welche eine Sprach ist schoen,
welche eine Sprach ist reich?
Verschieden in Getoen,
im Sinn sind alle gleich.
Nicht dies’ und jene Sprach entzueckt,
erfreuet mich;
Was mich erfreut, entzueckt,
das ist die Sprach an sich ...”

aus „Die Weisheit des Brahmanen“
von Friedrich Rückert (1788-1866)

 

 

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Gedichte lesen

Wer
von einem Gedicht
seine Rettung erwartet
der sollte lieber
lernen
Gedichte zu lesen

Wer
von einem Gedicht
keine Rettung erwartet
der sollte lieber
lernen
Gedichte zu lesen

Erich Fried (1921-1988

 

 

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Bücher

Alle Bücher dieser Welt
Bringen dir kein Glück,
Doch sie weisen dich geheim
In dich selbst zurück.

Dort ist alles, was du brauchst,
Sonne, Stern und Mond,
Denn das Licht, danach du frugst,
In dir selber wohnt.

Weisheit, die du lang gesucht
In den Bücherein,
Leuchtet jetzt aus jedem Blatt —
Denn nun ist sie dein.

© Herrmann Hesse (1877-1962)

 

 

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Letteritis

Ganz plötzlich wird es Dir bewußt:
Erkrankt ist Deine Leselust!
Nach welchem Buche Du auch faßt,
Keins, das zu Deiner Stimmung paßt!
Du gibst nicht hin – es gibt nichts her:
Bald ists zu leicht, bald ists zu schwer.
Mit leerem Herzen und Verstand
Starrst Du auf Deine Bücherwand:
Die altbewährte, edle Klassik
Ist Dir auf einmal viel zu massig
Und über die moderne Lyrik
Denkst Du schon beinah ehrenrührig.
Der Reißer selbst, in dessen Flut
Du sonst gestürzt voll Lesewut,
Wirft heut Dich an sein Ufer, flach;
Dein Drang zur Wissenschaft ist schwach;
Und das gar, was sich nennt Humor,
Kommt Dir gequält und albern vor.
Geduld! Laß ab von aller Letter!
Es wird sich ändern, wie das Wetter:
Schon morgen, unverhofft genesen,
Kann Du dann lesen, lesen, lesen!

Eugen Roth (1895-1976)

 

 

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Bücher

 Ein Mensch, von Büchern hart gedrängt,
An die er lang sein Herz gehängt,
Beschließt voll Tatkraft, sich zu wehren,
Eh sie kaninchenhaft sich mehren.
Sogleich, aufs äußerste ergrimmt,
Er ganze Reihn von Schmökern nimmt
Und wirft sie wüst auf einen Haufen,
Sie unbarmherzig zu verkaufen.
Der Haufen liegt, so wie er lag,
Am ersten, zweiten, dritten Tag.
Der Mensch beäugt ihn ungerührt
Und ist dann plötzlich doch verführt,
Noch einmal hinzusehn genauer –
Sieh da, der schöne Schopenhauer...
Und schlägt ihn auf und liest und liest,
Und merkt nicht, wie die Zeit verfließt...
Beschämt hat er nach Mitternacht
Ihn auf den alten Platz gebracht.
Dorthin stell er auch eigenhändig
Den Herder, achtundzwanzigbändig.
E.T.A. Hoffmanns Neu-Entdeckung
Schützt diesen auch vor Zwangs-Vollstreckung.
Kurzum, ein Schmöker nach dem andern
Darf wieder auf die Bretter wandern.
Der Mensch, der so mit halben Taten
Beinah schon hätt den Geister verraten,
Ist nun getröstet und erheitert,
Daß die Entrümpelung gescheitert.

Eugen Roth (1895-1976)

 

 

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Poem On A Branch

And when I stuck a poem on a branch
it hung fluttering, the wind left it.
‘Please do take it off, ‘you said,
‘don’t be stupid, people are coming.’
And they were surprised.
A tree waving a poem.
No time for arguing. We had to go.
‘You won’t remember it tomorrow.’
‘Tomorrow I can write a new poem:
so why worry about such a nothing
A poem is no burden to a branch.
I’ll write as many poems as you ask,
I shall write you a forest of verses.’
And in the end what will become of us?
Soon to forget? In the time of our trouble,
think how somewhere in sudden inspiration
a tree is waving a poem.
And we can smile. We have to go.

Yevgeny Yevtushenko
(*1933)

 

 

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Der Bücher-WURM

Der Bücherwurm ist überall,
in einem Bus, im Wartesaal,
Im U-Bahnschacht und in der Nacht
liest er Bücher mit Bedacht.

Erhard Horst Bellermann (*1937)

 

 

Rätsel Buch

Ich nahm es, und ich trug es,
ich trug's zum Tisch und schlug es,
ich schlug es auf und las,
was ich herauslas, ließ
ich gerne noch für andre drin,
doch ist's in mir jetzt immerhin.

Josef Guggenmos (*1922)

 

 

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Zwei Bücher

Das eine versprach: "Ich mache dich klug,
in mir stehen Weisheiten mehr als genug."
das andere meinte: "Ich mache dir Spaß."
Da las ich das Buch und las und las -
und las dann im klugen Buch weiter,
doch das lustige war viel gescheiter.

Hans Baumann

 

 

Ein Buch

Ich kaufe ein Buch.
Es ist in meiner Mappe hier.
Ich lese das Buch.
Nun ist es in mir.
Du liest das Buch.
Jetzt ist es in dir.
Aus ich und du
macht ein Buch oft wir.

Alfons Schweiggert

 

 

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Kritik des Herzens

Wer möchte diesen Erdenball
Noch fernerhin betreten,
Wenn wir Bewohner überall
Die Wahrheit sagen täten.

Ihr hießet uns, wir hießen euch
Spitzbuben und Halunken,
Wir sagten uns fatales Zeug,
Noch eh' wir uns betrunken.

Und überall im weiten Land
Als langbewährtes Mittel
Entsproßte aus der Menschenhand
Der treue Knotenknittel.

Da lob' ich mir die Höflichkeit,
Das zierliche Betrügen.
Du weißt Bescheid, ich weiß Bescheid;
Und allen macht's Vergnügen

Wilhelm Busch (1832-1908)

 

 

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Bibliothek

die vielen buchstaben
die nicht aus ihren wörtern können

die vielen wörter
die nicht aus ihren sätzen können

die vielen sätze
die nicht aus ihren texten können

die vielen texte
die nicht aus ihren büchern können

die vielen bücher
mit dem vielen staub darauf

die gute putzfrau
mit dem staubwedel


Ernst Jandl (1925-2000)

 

B Ü C H E R            
 

können...

         

reden

      lachen...      
    .   weinen....    
      .   .träumen...  
            reisen....

Irgendwann
braucht jedermann
ein Buch mit dem er
reden,
lachen,
weinen,
träumen
 reisen
kann.

Hartmut Kulick

 

 
 

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Arbeiter der Stirn

Ein Mensch sitzt kummervoll und stier
Vor einem weißen Blatt Papier.
Jedoch vergeblich ist das Sitzen -
Auch wiederholtes Bleistiftspitzen
Schärft statt des Geistes nur den Stift.


Selbst der Zigarre bittres Gift,
Kaffee gar, kannenvoll geschlürft,
Den Geist nicht aus den Tiefen schürft,
Darinnen er, gemein verbockt,
Höchst unzugänglich einsam hockt.
Dem Menschen kann es nicht gelingen,
Ihn auf das leere Blatt zu bringen.


Der Mensch erkennt, dass es nichts nützt,
Wenn er den Geist an sich besitzt,
Weil Geist uns ja erst Freude macht,
Sobald er zu Papier gebracht.

Eugen Roth

 

 

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Ausbrechen

Ausbrechen
aus den Wortzäunen,
den Satzketten,
den Punktsystemen,
den Einklammerungen,
den Rahmen der Selbstbespiegelungen,
den Beistrichen, den Gedankenstrichen
- um die ausweichenden, aufweichenden
Gedankenlosigkeiten gesetzt -
Ausbrechen
in die Freiheit des Schweigens.

Wolfgang Bächler (1925)

 

 

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Einleitung

Wie heimlich ist die Spur
der Buchstaben.
Verlogen sind die Wörter
auf Papier.
Und wer die Sätze erst
zusammenlegte,
die Deutungen
zu kontrollieren pflegte,
war schon verdammt
als Zauberer und Magier.

Ingeborg Goebel

 
 

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Schreiben
 
Auf Papier Funken schlagen,
ohne dass es brennt.
 
Jeden Tag eine Seite,
auf der immer weniger
steht: Aber unverrückbar.
 
Mit den Wörtern schlafen gehn,
mit einem Wort erwachen.

Peter Engel (*1940)

 
 

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Der Lebensfreude Quell

Auch in unserem Jahrhundert
Blieb uns treu das Ideal,
Und in ewig neuer Schönheit
Trifft auch uns sein Himmelsstrahl.

Und der Dichtkunst gold'ne Früchte
Und der Denker Weisheitswort
Finden in den meisten Herzen
Auch noch heut' willkomm'nen Ort.

Dieses Büchlein, das sich schüchtern
kaum getraute in die Welt
Zeigt, daß Großes, Schönes, Edles
Heute noch die Herzen schwellt.

Denn wohin es sich auch wandte,
nahm es siegreich seine Bahn;
Tausend Herzen haben freudig
Ihm die Pforten aufgetan.

Klinget denn, ihr goldnen Worte,
Immer weiter, freudig hell!
Sinn fürs Edle, Große, Schöne
Ist der  L e b e n s f r e u d e  Q u e l l .

Aus "Lebensfreude", Sprüche und Gedichte,
Verlag P.J. Tonger, Köln
Hof-, Buch- und Musikalienhändler Sr. Majestät,
des Kaisers und Königs Wilhelm II.

 
 

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Einem jungen Dichter in's Album

Der Geist genügt sich überall
 Wo er in rechter Fülle ist
Und schafft Genüge überall,
wo er in rechter Hülle ist.

Der Weg liegt allen offenbar
Doch schwer ist's ihn zu wandeln,
Wie alle Weisheit leicht und klar,
Doch schwer danach zu handeln!

Friedrich Martin Bodenstedt (1819-1892)

 
 

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Die Dichter

Siehst du sie tanzen im rhythmischen Takte, lustig und lieblich,
Und mit attischem Witz würzen das züngelnde Lied;
Hörst du mit Zauber-Gesäusel erzälen vom mächtigen Eros
Und der Cypria Kunst- hat sie Apollo gelehrt:
Doch, hörst du voll Tugend -Gefühl,
Wie Wehen im sausenden Eichwald,
Wie Wogen-Gedröhn am Urfels
Ein kriegrisches Lied;
Vernimmst du die Thaten der Vorwelt
Im Sangliods- Hall,
Vergleichbar erschütterndem Donner -Gerolle
Und reißendem Sturm',
Und dennoch lieblich, wie Lüftcherr
Im blumigen Lenze,
Und hell, wie des Himmels
Harmonische Weisen-
Ha! Solch Helden -Gesang
Hat Braga gelehrt.

Freiherr von Münchhausen, 1802

 
 

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Unsre Sprache

Dass keine, welche lebt, mit Deutschlands Sprache sich
In den zu kühnen Wettstreit wage!
Sie ist, damit ich's kurz, mit ihrer Kraft es sage,
Aus mannigfaltiger Uranlage
Zu immer neuer, und doch deutscher Wendung reich;
Ist, was wir Selbst in jenen grauen Jahren,
Als Tacitus uns forschte, waren,
Gesondert, ungemischt, und nur sich selber gleich.

Friedrich Gottlieb Klopstock (1724-1803)

 

 

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Die achte Todsünde

Ein Dichter darf mit seinen Sachen
uns wütend, darf uns rasend machen,
wir steckens schließlich ruhig ein,
wer wird denn immer »Kreuzigt!« schrein?
Nur eins wird man ihm nie verknusen,

und gäbs statt neun selbst neunzig Musen:
Wenn er in Reimen wäßrig tränt,
indes sein armer Leser gähnt.
Drum wer uns langweilt oder ledert,
verdient, daß man ihn teert und federt!

Arno Holz (1863-1929)

 

 

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Ein anspruchsvolles Buch will im Zu-
sammenhang
gelesen sein, und macht euch schwer
den langen Gang.
Dies anspruchslose macht die
kurzen Gäng' euch leicht,
denn wo ihr stillstehn wollt,
habt ihr ein Ziel erreicht.

Friedrich Rückert (1788-1866)

 

 

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Nur jener Dichter
wird umworben,

der pflegeleicht ist,
weil gestorben!
So wart` ich denn
aus lauter Not
auf Dichters Tod
im Morgenrot,
auch wenn ich weiß,
es gibt ihn nie,
den Dichterruhm
mit Garantie!

© G. Segessenmann alias Georg von Signau

 

 

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Musengunst

Mußt kein Gedicht durch tiefes Sinnen
Dem Geiste mühsam abgewinnen:

Dem Dichter muß zu muthe seyn,
Als flög’ eine Taube zum Fenster herein
Gebraten, wo er nichts braucht dazu
Als sie zu schmausen in guter Ruh.

Wer so das edle Dichten treibt,
Der stets ein lust’ger Geselle bleibt;
Wer’s aber auf solche Weise nicht kann,
Thut besser, er fängt was anders an.

Johann Peter Eckermann (1792-1854)

Mehr über J. P. Eckermann

 

 

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Die Feder kritzelt

Die Feder kritzelt: Hölle das!
Bin ich verdammt zum Kritzeln-Müssen? -
So greif' ich kühn zum Tintenfass
Und schreib' mit dicken Tintenflüssen.
Wie läuft das hin, so voll, so breit!
Wie glückt mir alles, wie ich's treibe!
Zwar fehlt der Schrift die Deutlichkeit -
Was tut's? Wer liest denn, was ich schreibe?

Friedrich Nietzsche

 

 

 

 

Grammatische Deutschheit

Neulich deutschten auf deutsch vier deutsche Deutschlinge deutschend,
    Sich überdeutschend am Deutsch, welcher der deutscheste sei.
Vier deutschnamig benannt: Deutsch, Deutscherig, Deutscherling, Deutschdich:
    Selbst so hatten zu deutsch sie sich die Namen gedeutscht.
Jetzt wettdeutschten sie, deutschend in grammatikalischer Deutschheit,
    Deutscheren Komparativ, deutschesten Superlativ.
"Ich bin deutscher als deutsch." "Ich deutscherer." "Deutschester bin ich."
    "Ich bin der Deutschereste oder der Deutschestere."
Drauf durch Komparativ und Superlativ fortdeutschend,
    Deutschten sie auf bis zum - Deutschesteresteresten,
Bis sie vor komparativistisch- und superlativistischer Deutschung
    Den Positiv von deutsch hatten vergessen zuletzt.

Friedrich Rückert (1788-1866)

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